„2:30 Uhr es ist viel zu heiß im Schlafzimmer, als dass ich schon wirklich erholsamen Schlaf hinter mir hätte. Ich schau auf die Uhr, es nutzt nichts, Tagestiefsttemperatur wird gegen vier erwartet – bleib ich also geduldig und versuche zu schlafen.
3:36 Uhr, ich werde von schrillem Gepiepse des Funkmeldeempfägers aus dem ersten richtigen Tiefschlaf der Nacht gerissen, ein erster tiefer Atemzug und noch vor der Alarmierungsdurchsage ist klar, dass irgendetwas brennt. Richtig brennt. Die Alarmstichworte bestätigen was ich ahne.
Ich steh nackt im Bad: Brille, Brille ist gut. Unterwäsche – scheiss drauf, geht die von gestern. T-Shirt nehm ich das nächstbeste. Hose, ich brauch eine Hose, wieso liegt hier keine Hose. Ich renne zum Kleiderschrank, auf dem Weg fällt mir ein, im Bad am Fenster liegt doch die Tagesdiensthose für den Ernstfall. Ich schlupfe in meine Stiefel, renne die Treppe runter, nehme Haustürschlüssel und Geldbeutel. Checke alle Taschen, renne wieder nach oben, hole mein Handy, renne nach unten.
Weiter zur Feuerwehrhalle. Über die Straße, links, rechts, ich sehe die Halle, es brennt Licht. Ich renne weiter. Noch einmal links und ich bin da. Ich renne zu meinem Schrank, Jacke, Helm, Gurt, Atemschutzhose, gehe zum Tanklöschfahrzeug. Löschfahrzeug und Drehleiter sind schon unterwegs. Ich steige ein, schau aufs Handy, die ersten Nachrichten, dass es ein echtes, ein richtiges. ein großes Feuer ist. Das Auto ist voll besetzt, mit jungen Hüpfern und alten Hasen. Wir sortieren uns, fahren aus der Halle, einmal links, nochmal links, einmal rechts, da ist es: ein riesiges Industriegebäude, 30m hoch, in Flammen. Ich ziehe meine Stiefel aus, schlüpfe in meine Atemschutzkleidung. Ruhig aber zügig aggieren alle. Auf dem Funk laufen immer noch Alarmierungen, eine nach der anderen.
Ich rüste mich mit dem Langzeitatmer der Drehleiter aus und steige mit mehreren Tetrapacks Wasser in den Hosen- und Jackentaschen in den Korb, die Leiter bewegt sich, komplett ausgefahren, steil aufgestellt, bin ich zumindest auf Höhe der Traufkante. Aus dem Wenderohr schießen 2000 Liter in der Minute.
Ich bin endlich richtig wach. Habe hunger. Ein Klo wäre okay. Mit Glück steh ich im Sonnenaufgang immer noch hier oben. Pech ist, dass mein Handy nur miserable Bilder macht.“
Acht Stunden später, ich sitze im Büro. Geduscht, hungrig, mit müden Knochen und Muskeln. Ich schwöre nie wieder auch nur eine Treppenstufe zu steigen.
Einen Wenderohreinsatz (nicht angeschlossen aber eben doch mit 25kg Langzeitatmer auf dem Rücken) und ein Eis aus der Tankstelle gegenüber, später, rüstete ich mich erneut aus, und wartete mit anderen auf einen neuen Einsatzbefehl. Das Gewicht, die Hitze und die warmen Klamotten schaffen mich, das bisschen Hunger wird zum ausgewachsenen Unterzucker. Aus Verantwortung mir und meiner Trupppartnerin gegenüber legte ich die Ausrüstung ab. Versprach aber noch zwei Atemluftflaschen aus Stahl 30 Meter aufs Dach zu bringen. Mit Ausrüstung die wieder nach unten kann, ging ich die Fluchttreppe an der Fassade wieder nach unten. Kramte ein zermatschtes Milka Tender aus der Hose, trank noch einen Liter. Und fand auch endlich ein Klo.
Mit etwas Süßem im Magen und dem Sonnenaufgang, war auch die gute Laune wieder da. Irgendwer verteilte Kaffee.
„Wieder fit rüste ich mich erneut aus, als 3-Mann-Trupp wieder nach oben. Entgegenkommende, völlig erschlagene Kameraden warnen, Löschwasser verdampft, unfassbare Hitze, ein Stahlträger hängt in sicherer Entfernung ca. 40cm durch und arbeitet weiter. Wir kontrollieren uns ein drittes Mal gegenseitig ob auch wirklich alle Haut mit Schutzkleidung bedeckt ist, wir schließen unsere Geräte an, erklimmen die letzte Leiter. Ich bin froh, dass wir ein gutes Dreigestirn sind, wir kennen uns alle, sind erfahren, alle ruhig, alle besonnen. Wir gehen nach vorne, sehen die glühende Masse in der Wanne vor uns, den genannten Stahlträger, fluten, wie auch schon einige Trupps vor uns und noch einige nach uns, den Raum. Es ist unfassbar heiß, Löschwasser aus der Decke durchtränkt unsere eh schon schwere Einsatzkleidung, wir stehen 20cm tief in der Brühe. Nach 20 Minuten kommt unsere ablöse, die Flaschen wären noch lange nicht leer, aber wir sind es. Langsam gehen wir nach unten. Ich lege die Ausrüstung ab, ziehe meine klatschnassen Klamotten aus. Schnappe mir eine Cola, stürze mich aufs Buffet des Roten Kreuzes, setze mich in die Sonne.
Angestellte der Firma tragen Kaffeekannen herüber, bauen Pavillons auf für die Pausierenden. Dem Maschinisten des Hilfeleistungslöschfahrzeugs, dem die Sonne voll auf den Schädel knallt, wird ein Sonnenschirm gebracht. Frische, warme Salzstangen werden aus der Firmenkantine gebracht.
Dankbarkeit von beiden Seiten, gegenüber weil wir löschen, hier wegen Kaffee und Salzstangen, Schatten und vorallem einem Klo.
Ich schau auf die Uhr, muss spätestens in 40 Minuten auf der Arbeit sein, die Probezeit sitzt mir im Nacken. Organisiere meine Rückfahrt, hetze nach Hause, dusche, bin pünktlich zu meiner Besprechung im Büro. Mit einer Stunde vor der Alarmierung und schon wieder Hunger.
Der Chef ist stolz auf mich. Eine Kollegin schaut missbilligend auf die Uhr, ob der Betrieb nicht auch ohne mich gebrannt hätte. Ja hätte er, tut er jetzt gerade auch noch weiter und wenn ich hier um halb drei meinen zweiten Termin auch erledigt habe, werde ich nicht über Los gehen, keine 4000DM einziehen, sondern meine Kollegen anrufen, wie es aussieht und mit Etuikleid und Aktentasche ins Feuerwehrhaus fahren, für eine weitere Runde Materialschlacht.
Jetzt nehm ich aber doch wieder das Treppenhaus. Zum Dönertypen gegenüber.